glückliches schwein

Die Schweizer Fleischbranche hat Angst, anders kann man sich die aktuelle Marketingkampagne nicht erklären, die etwas plump daherkommt in ihrem Versuch, uns daran zu erinnern, dass Fleisch super schmeckt, wieso sollte man auf diesen Genuss verzichten wollen. Ein Schwein ist schliesslich Nutzvieh und kein Haustier, obwohl gerade das Verschenken eines lebendigen Schweins dazu geführt hat, dass Fabio Müller gemerkt hat, wie toll diese Idee ankam, he hallo, das könnte er doch beruflich machen, er wurde also Schweinezüchter. Bloss züchtet er die Tiere heute nicht, um sie lebend und am Stück zu verschenken, nein, er verkauft sie in Form von Kotelett und Speck, das bringt schliesslich auch Freude und ihm Geld. Stranger than fiction, really. Und Fabio Müller’s Schweine sind inzwischen auch die „Stars“ eines Werbeartikels der Schweizer Fleischlobby im 20 Minuten.

Dort erscheinen regelmässig Sponsored Posts der Fleischlobby, die sich um Kopf und Kragen redet in dem Bestreben, dem sinkenden Fleischkonsum entgegenzuwirken. Wie so oft, wenn man etwas verteidigt, das schwer zu verteidigen ist, merken sie dabei nicht, wie seltsam und künstlich konstruiert ihre Argumente wirken. Im Juli preiste man die verblüffenden Qualitäten von Schweizer Schweinen an und redete davon, dass es unser liebstes Fleisch ist und dass der Rest des Säulis, den man nicht essen will, Rohstoffe für Badezimmer und ÖV liefert. Eigenartige Argumente, aber gut. Man könnte auch hervorheben, dass Schweine Allesfresser sind, wie wir Menschen, oder dass Struktur und Beschaffenheit von Schweinefleisch dem menschlichen Fleisch sehr nahe kommt, aber das Ziel ist schliesslich nicht, dass wir uns wie böse Kannibalen vorkommen, wenn wir ein Kotelett essen, wohl fühlen sollen wir uns dabei und geniessen. Und das kann man besser, wenn man glaubt, dass das Schwein ein zwar kurzes, aber glückliches Leben geführt hat und absolut nichts dagegen hatte, direkt nach Erreichen seines Zielgewichts beim Metzger zu landen, um uns als Bratwurst glücklich zu machen. Wenn es den Weg gekannt hätte, wäre es sicher auch freiwillig zum Schlachthof gezockelt oder hätte für uns vielleicht sogar Selbstmord begangen, das selbstlose Säuli, aber Selbstmord begehen nur unglückliche Lebewesen, das ahnen wir zumindest ein bisschen und unser Schwein hat schliesslich ein glückliches Leben geführt, das wir nur deshalb beenden, damit wir auch ein bisschen glücklich sein und geniessen können und jetzt hören wir besser auf zu denken, sonst wird es unangenehm und wir sollen uns schliesslich wohl fühlen bei unserem Fleischkonsum, die Fleischlobby will das so.

Weil aber heute viele aus Sorge um Umwelt und Klima ihren Fleischkonsum reduzieren (und vielleicht auch, weil der Schweineartikel zu über 400 Kommentaren geführt hat, in denen nicht wenige die Scheinheiligkeit und Absurdität der aufgeführten Argumente kritisiert haben), kam im August ein nächster Artikel, der sich nun mit dem Fleischkonsum allgemein befasst. Die Argumentation ist noch absurder geworden, man könnte meinen, sie hätten sich bei Trump was abgeschaut. Es wird geschrieben, dass für 94% der Schweizer Frischfleisch zur Ernährung dazugehört und eine repräsentative Umfrage zitiert, ohne diese zu verlinken, man soll ihnen bitte einfach glauben, und sowieso, honni soit qui mal y pense, gäll. Dann folgt ein imaginäres Frage- und Antwortspiel, wobei sowohl Frage, wie auch Antwort von der Fleischlobby kommt. Beste Voraussetzungen für eine tiefgründige Diskussion und glaubwürdige Informationen, jawohl.

Die Fleischlobby fragt sich, ob Nutztierhaltung nicht schlecht für’s Klima ist und antwortet sich selber, dass doch, aber hey, Verkehr und Industrie sind noch schlimmer, also lasst sie doch bitte in Ruhe und geht auf die anderen los, sie sind schliesslich nur die Drittschlimmsten. I’m bad but they’re worse. Fragwürdige Strategie. In der nächsten Frage wird es noch absurder, Herr Fleisch fragt, ob nicht vor allem die Rindfleischhaltung schuld ist an den negativen Auswirkungen und die Antwort ist so konfus, dass ich sie einfach mal so wiedergebe, wie sie da geschrieben steht:

Vor allem die Rindfleischproduktion ist schuld an den negativen Klimaauswirkungen, oder?
Nein. Denn die Erzeugung von Milch, Milchprodukten (Käse, Butter) oder Eiern gibt es nicht, ohne dass auch Fleisch produziert wird. Man kann nicht das eine ohne das andere haben. Gerade in der traditionell von der Milchwirtschaft geprägten Schweizer Landwirtschaft ist die Fleischproduktion untrennbar mit der Produktion anderer tierischer Nahrungsmittel verknüpft. Eine Kuh produziert in ihrem Leben tausende Liter Milch – aber nur, wenn sie jährlich ein Kalb gebärt.

Schweizer Fleisch im 20 Minuten

Eier gibt es, weil Fleisch produziert wird. Nein Moment, wo es Eier gibt, wird auch Fleisch produziert. Hä? Irgendwie scheinen sie verschlafen zu haben, dass inzwischen die meisten wissen, dass in der Legehennenindustrie die männlichen Küken getötet werden, weil sie eben keine Eier legen. In diesem verdrehten Sinne ja, wo Eier produziert werden, entsteht auch Fleisch, aber nicht zum Konsum, sondern als Abfallprodukt. 20 Minuten hat vor einigen Wochen selbst Cesare Sciarra zitiert, Leiter des Kontrolldienstes des Schweizer Tierschutzes, der aussagte, dass die männlichen Jungtiere der Milchkuhrassen wirtschaftlich nicht interessant sind (zu wenig Fleisch am Knochen) und deswegen häufig ebenfalls getötet werden. Diese landen nicht bei uns als Filet auf dem Teller, sie sind Abfallprodukte. Milchproduktion und Fleischproduktion hat nichts miteinander zu tun, das sind separate Wirtschaftszweige.

Und das ist genau das Problem. Es ist eine Industrie entstanden, in der je nach Funktion des Tieres die eine Rasse und das eine Geschlecht gewinnbringend ist, das andere ein Abfallprodukt. Und entsprechend entsorgt und nicht weiterverwertet wird. Denn es bringt zu wenig Geld ein. That’s the deal.

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